Wir sind einer riesigen Anzahl von Reizen ausgesetzt. Dennoch werden wir in der Regel nicht von Reizen überflutet. Wir könnten all diese Reize auch nicht auf einmal verarbeiten, da unsere Wahrnehmungssysteme begrenzte Kapazitäten besitzen. Für Pädagogen stellt sich die Frage, wie wir unsere Umwelt angemessen erfassen können, wie ein Kind seine Umgebung wahrnimmt bzw. wahrzunehmen lernt.
Das Neugeborene
Zunächst verfügt ein Neugeborenes über stark eingeschränkte sensorische Fähigkeiten, welche automatisch zu einer Beschränkung der Wahrnehmungsmöglichkeiten führt. Die zunehmenden Fähigkeiten führen allmählich zu ständig anwachsenden Möglichkeiten:
Um eine (soziale) Situation erfassen zu können, muss diese über die jeweiligen Sinneskanäle wahrgenommen, verarbeitet und interpretiert werden. Um wahrzunehmen, muss die Aufmerksamkeit selektiv auf das zu Erfassende gerichtet sein. Die relevanten Merkmale müssen ausgefiltert und verarbeitet werden, irrelevante Merkmale müssen ignoriert werden.
Zunächst ergeben sich für die Wahrnehmungsfähigkeiten chronologisch gesehen folgende Entwicklungen:
- Ausreifung der bei Geburt unvollständig entwickelten Sinneskanäle (visuell, auditiv und motorisch), im Sinne einer biologischen Reifung
- „Erlernen“ einer angemessenen Wahrnehmung in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, im Sinne einer interaktiven biologisch-strukturellen Reifung
- Kulturell adaptive Lernprozesse der Wahrnehmung, im Sinne einer Adaption an überlieferte Wahrnehmungsanforderungen (z.B. kulturell geprägtes Sozialverhalten und dessen korrekter Wahrnehmung, oder Erwerb der sog. „kalten“ Kognition schulischen Lernens...)
Die Aufmerksamkeit von Säuglingen ist noch sehr grob. Mit zunehmendem Alter steigt die Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung, die wichtigsten Funktionen der Sinnesorgane sind bereits im Kleinkindalter ausgereift. Allerdings entwickeln sich die Fähigkeiten der Verarbeitung und Interpretation, sowie die erwartete, gezielte Aufmerksamkeit in spezifischen Kontexten (z.B. Schule) kontinuierlich weiter.
Gezielte Aufmerksamkeit erfordert die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, überflüssige Elemente zu ignorieren (sog. Inhibitorische Prozesse) und die Aufmerksamkeit auf die tatsächlich relevanten Aspekte zu richten.
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